Der Lagerfriedhof
Sowjetische Kriegsgefangene, die in den Lagern verstarben bzw. ermordet wurden, wurden häufig in anonymen Massengräbern in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Lager begraben.
Die im Kriegsgefangenenlager Hollerath verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen wurden meist im Morgengrauen von ihren Kameraden über einen Trampelpfad zu einem ca. 100 Meter entfernten Lagerfriedhof gebracht. Für den dort stattfindenden Bestattungsvorgang verwendet der Journalist Franz Albert Heinen den Begriff ,verscharren’. Damit verwies er auf den unwürdigen Vorgang, bei dem die Toten und auch Gefangene, die im Sterben lagen, in die Massengräber ,geworfen’ wurden. Es kam vor, dass die Beerdigungskolonne auf einem Massengrab ,herumspringen’ musste, um das Grab bedecken zu können. Hinzu kam, dass das Reichsinnenministerium Särge bei Bestattungen von sowjetischen Kriegsgefangenen für nicht notwendig hielt.1
Nach Kriegsende bemühten sich die Westalliierten um eine angemessene Herrichtung der Grabstätten polnischer und sowjetischer Staatsbürger und übten entsprechenden Druck auf die deutschen Behörden aus, da die Kommunen im Kreis Schleiden nur wenig Interesse an einer angemessenen Pflege der sogenannten „Russengräber“ zeigten.2
Eine Überprüfung durch eine britisch-sowjetische Kommission im Herbst 1948 zeigte auf, dass das Gräberfeld zwar mit Maschendraht umfriedet war, jedoch ein Tor fehlte. Kritik wurde auch angesichts des schlechten Pflegezustandes der Anlage geübt: So wurden fehlende Grabumfriedungen, verfaulte Holzkreuze und die Gräber überwucherndes Unkraut bemängelt.3 Der schlechte Zustand der sowjetischen Grabanlagen im Kreis Schleiden veranlasste schließlich den Beauftragten der Düsseldorfer Landesregierung, Regierungsrat Dr. Schlange, am 11. Juni 1949 zu einer Inspektionsreise: Als Ergebnis wurde entschieden, die russischen Toten von den Grabanlagen in Blumenthal und Bevertberg aus Kostengründen nach Hollerath umzubetten.4
Mit Erlass des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. November 1949 wurde Gartenarchitekt Josef Beinert aus Geseke im Kreis Soest beauftragt, die Umbettungen vorzunehmen und den von den beteiligten amtlichen Stellen als „Russenfriedhof“ marginalisierten Waldfriedhof in Hollerath zu realisieren: Die Titulierung als „Russenfriedhof“ grenzte die sowjetischen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft deutlich von anderen Opfergruppen ab. Als stigmatisierender Begriff steht er in der Tradition der rassenideologischen Weltanschauung des Nationalsozialismus, die den Bürger:innen der Sowjetunion eine vermeintliche Minderwertigkeit gegenüber anderen, nicht slawischen Ethnien zuschrieb.5
Das anhaltend geringe Interesse an einem angemessenen Gedenken der verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen auf der Begräbnisstätte von Hollerath setzte sich fort: Einerseits wurde auf dem Friedhof gemäß sowjetischen Vorgaben ein schlichtes Mahnmal mit kyrillischer Beschriftung errichtet, andererseits wurden, obwohl von sowjetischer Seite nicht erwünscht, Holzkreuze aufgestellt, die erst später durch Kopfsteine ersetzt werden sollten. Wucherndes Gras, schiefe Grabkreuze und fehlende Beschriftungen kennzeichneten in den Folgejahren den schlechten Pflegezustand und die fehlende Wertschätzung des Friedhofs.6
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1 Vgl. Heinen, Franz Albert: “Abgang durch Tod”. Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945, Schleiden, 2018, S. 254.
2 Vgl. ebd. S. 386.
3 Vgl. ebd. S. 390.
4 Vgl. ebd. S. 390f.
5 Vgl. Gemeindearchiv Hellenthal, Gd. Arch He 1461.
6 Vgl. Heinen: “Abgang durch Tod” 2018, S. 392f.