Motive zur Umbettung
Die möglichen Intentionen zur vermeintlichen Umbettung Models müssen aufgrund der genannten Hintergründe kritisch reflektiert werden. Dabei gilt es beispielsweise zu beleuchten, welche Absprachen zwischen Models Sohn, Hansgeorg Model, und der Hauptgeschäftsstelle des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) in Kassel getroffen wurden. Besonders vor dem Hintergrund, dass sich die Motive zur Umbettung widersprachen. Zur Betrachtung dessen liegt in den Akten ein Schreiben Hansgeorg Models an Abteilungsleiter Froneberg vor. Es ist datiert auf den 23. März 1954, etwa 1¼ Jahre vor der angeblichen Umbettung der Gebeine Walter Models nach Vossenack. Hansgeorg Model kommt darin auf die Pläne zu sprechen, die er und seine Familie mit der Grabstelle verfolgen:
"Wir haben seit langem die Absicht, die Grabstelle zum 10. Todestag meines Vaters am 21.4.1955 würdig herrichten zu lassen. Es war deshalb auch unsere Absicht, die Verbindung mit dem Volksbund herzustellen. […] Ich darf Ihnen vorschlagen, bei nächster Gelegenheit eine Aussprache über die Einzelheiten unseres Vorhabens zu führen. Auszugehen ist hierbei von dem testamentarisch niedergelegten Wunsch meines Vaters, von einer Umbettung unter allen Umständen abzusehen. Hiergegen bestehen seitens des Eigentümers des betr. Waldgebietes, des Grafen Spee [Sperrung im Original], keine Bedenken. Ich bin auch gern bereit, einem Ihrer Herrn bei meinem nächsten Besuch der Grabstelle am 21. April ds. Jhr. die Grabstelle zu zeigen, um bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit einer zwar schlichten, aber doch würdigen Ausgestaltung zu besprechen."1
Hier wird noch einmal unterstrichen, dass Walter Model selbst keine Umbettung gewollt habe. Zum ersten Mal ist dabei sogar von einem testamentarisch festgelegten Wunsch die Rede, an den sich Hansgeorg Model gebunden fühlte. Und offensichtlich gab es auch seitens des Eigentümers des Waldgebietes keinen Einspruch dagegen, Models Grab dort zu belassen. Hansgeorg Model wollte zu diesem Zeitpunkt Gestaltungsfragen der Grabstätte mit dem VDK besprechen. Aus diesem Kontext geht die Frage hervor, was – aus der Retrospektive einer vermeintlichen Umbettung betrachtet – Models Nachfahren zu einer Meinungsänderung bzgl. der Grablage Models bewogen haben könnte.
Die Abläufe lassen sich kaum mehr rekonstruieren. Es finden sich allerdings noch zwei Hinweise, die Antwort auf diese Fragen liefern könnten. Am 26. Januar 1955 schrieb Julius Erasmus an den Volksbund in Kassel, dass Hansgeorg Model in Vossenack gewesen wäre – das genaue Datum des Besuchs wird nicht erwähnt – und dabei den Wunsch geäußert habe, "seinen Vater hier auf der Kriegsgräberstätte Vossenack beizusetzen."2
Zwischen dem 23. März 1954 und dem Datum des Schreibens von Erasmus, am 26. Januar 1955, muss sich demnach der Meinungsumschwung vollzogen haben. Dass er bei allen Familienmitgliedern zustande kam, ist jedoch unwahrscheinlich, denn ein knappes Jahr nach Hansgeorg Models Schreiben an Froneberg, am 10. Februar 1955, antwortete die Bundesgeschäftsstelle des VDK, der Wunsch der Angehörigen nach einer Überführung der sterblichen Überreste Models sei auch dort bekannt geworden, allerdings seien die Angehörigen sich zurzeit noch nicht schlüssig, denn "offenbar stimmen nicht alle Angehörigen mit der Auffassung des Sohnes überein"3. Das Schreiben endet mit dem Hinweis: "Es erscheint zweckmäßig, die Dinge zunächst auf sich zukommen zu lassen."4
Was sich hier andeutet, ist der Umstand, dass der Wunsch nach Umbettung allein auf die Initiative Hansgeorg Models zurückzuführen ist. Wie weit er in diesem Wunsch von weiteren Angehörigen unterstützt wurde, lässt sich nicht ermitteln. Den schriftlichen Quellen zufolge scheint Hansgeorg Model einziges Mitglied der Familie gewesen zu sein, das an der beschriebenen Umbettung teilgenommen hat. Das spräche wiederum dafür, dass die Differenzen, wie mit Walter Models testamentarisch festgehaltenem Wunsch umzugehen sei, am Tag der Umbettung nicht ausgeräumt waren.
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1 Brief von Hansgeorg Model, Bad Godesberg-Pech vom 23.03.1954 an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Hauptgeschäftsstelle, Abteilungsleiter Froneberg, Kassel. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
2 Brief vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kriegsgräberstätte Vossenack, Julius Erasmus vom 26.01.1955 an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bundesgeschäftsstelle, Kassel. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
3 Brief vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bundesgeschäftsstelle, Kassel vom 10.02.1955 an Herrn Erasmus, Kriegsgräberstätte Vossenack. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
4 ebd.