Einführung

"An diesem 21. April 1945 beging Generalfeldmarschall Model Freitod in einem Wald bei Lintorf in der Nähe von Duisburg. Dort wurde er zunächst in einem Feldgrab beigesetzt. Am 26. Juli 1955 erfolgte die Überführung der sterblichen Überreste auf den Soldatenfriedhof Vossenack durch den Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge."1

In zahlreichen biografischen Darstellungen, die über Generalfeldmarschall Otto Moritz Walter Model (*1891 - 1945) verfasst wurden, lassen sich ähnliche Beschreibungen der Umstände seines Todes finden. Im vorangestellten Zitat aus einer biographischen  Dokumentation, die dessen Sohn, Hansgeorg Model (*1927 - 2016), zusammen mit dem irischen Militärhistoriker Dermot Bradley publiziert hat, wird der Bezug zum Ortsteil Vossenack in der heutigen Gemeinde Hürtgenwald deutlich.2 Die Dokumentation erschien 1991 anlässlich des hundertsten Geburtstages Walter Models. Walter Model steht damit sowohl in Vergangenheit und Gegenwart in einem spezifisch konstruierten Narrativ in Zusammenhang mit dem 'Hürtgenwald'. Ab 1944 hatte er in seiner Rolle als Oberbefehlshaber West3 die Aufgabe, die westliche Frontlinie des 'Deutschen Reiches' zu stärken. Aufgrund des geringen Erfolgs und des Vormarsches der U.S. Army sowie ihrer Überquerung des Westwalls 1944 wurde er jedoch bereits nach kurzer Zeit als Oberbefehlshaber abgelöst.

Der Dokumentation und dem gegenwärtigem Erkenntnisstand nach sei Walter Model auf die Kriegsgräberstätte Vossenack in der Nordeifel umgebettet worden, weil er den Wunsch geäußert haben soll, inmitten 'seiner' Soldaten zu ruhen. Sein Sohn habe dem Wunsch seines Vaters 1955, zehn Jahre nach dessen Tod, entsprochen. So zumindest hätten es laut dem Historiker und Publizisten Frank Möller, "geschichtsinteressierte Anwohnerinnen und Anwohner im Umfeld der Kriegsgräberstätte"4 bei einer Befragung geäußert. Über Jahrzehnte galt dieser Umstand – nicht nur in der Region des 'Hürtgenwaldes' als zuverlässiges Narrativ.

Walter Models mutmaßliche Grablage befindet sich zentral auf der Kriegsgräberstätte Vossenack. Sie wurde in den Folgejahren nicht nur zu einem Ort für Angehörige und Besucher:innen, sondern auch von politischen Verehrer:innen und Rechtsextremist:innen zu einer Art Pilgerort konstruiert. Die Devotionalien, die an der Grabstelle hinterlassen werden, werden gegenwärtig regelmäßig abgeräumt oder dem dafür zuständigen Kreis Düren, der dann für ihre Beseitigung sorgt, gemeldet.

Nach Einsicht überlieferter Akten, die den Ablauf der Umbettung Models betreffen, bestehen heute berechtigte Zweifel daran, ob sich die Umbettung der sterblichen Überreste Walter Models tatsächlich so zugetragen hat, wie es in oben genannten Darstellungen kolportiert und in der regionalgeschichtlichen Militarialiteratur immer wieder aufgegriffen wurde.5 Den Akten ist zu entnehmen, dass die seinerzeit zuständige Stelle für die Umbettung, die Landesgeschäftsstelle NRW des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) in Essen, über die Maßnahme nicht informiert worden war

Daran schließen sich Fragen danach an, wie dies möglich werden konnte sowie welche Akteure an der Umbettung beteiligt gewesen waren, wenn kein Vertreter des VDK davon wusste. Weiter gibt es Hinweise, dass sich Models  Nachfahren gegen die Umbettung ausgesprochen hatten.

Somit bleiben erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die Umbettung der sterblichen Überreste Walter Models zur Kriegsgräberstätte Vossenack überhaupt stattgefunden hat. 

Die Kriegsgräberstätte Vossenack mit der Lage des Grabes von Walter Model.

__________________

1 Model, Hansgeorg / Bradley, Dermont: Generalfeldmarschall Walter Model (1891-1945). Dokumentation eines Soldatenlebens. Osnabrück: Biblio Verlag 1991, S. XII.
2 ebd.
3 Die Kursivsetzung sowie die Kennzeichnung einzelner Wörter mithilfe einfacher Anführungszeichen markiert im Folgenden i.d.R. Eigennamen sowie Begriffe aus historischen Kontexten (z.B. aus der Zeit des Nationalsozialismus). Mit der Markierung distanzieren sich die Autor:innen von den Begriffen, damit wird von einer Reproduktion problematischer Begriffe Abstand genommen. Zugleich dient sie der Nutzung originaler Begriffsverwendungen zur eindeutigen Kontextualisierung.
4  Frank Möller ist Historiker und Publizist. Er setzt sich seit vielen Jahren kritisch mit der Konfliktlandschaft Hürtgenwald (Nordeifel) auseinander. Vgl. hierzu: Möller, Frank: Models Knochen - Models Grab? Eine Recherche, die vermeintliche Gewissheiten in Frage stellt, S. 1-2. Online-Publikation unter https://frank-moeller.eu/wp-content/uploads/2020/11/01_Models-Knochen.pdf (zuletzt aufgerufen: 17.08.2023).
5 siehe dazu: Möller, Frank: Einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen …? Militaria-Literatur über den Zweiten Weltkrieg am Beispiel des Kriegsschauplatzes Nordeifel / ›Hürtgenwald‹. Band 1, Reihe Konfliktlandschaften. Osnabrück: V&R unipress. Universitätsverlag 2022.