Interdisziplinäre Forschungen
Zahlreiche Archivalien, in denen die mutmaßliche Umbettung von Walter Models sterblichen Überresten ihren Niederschlag gefunden hat, wurden ausgewertet, die Zeitzeugen, die man zu dem Vorgang hätte befragen können, leben heute nicht mehr. Dennoch bleibt zur Aufklärung einer Umbettung als eine weitere Möglichkeit, eine wissenschaftliche Bodenuntersuchung des zu hinterfragenden Umbettungsortes auf der Kriegsgräberstätte Vossenack.
Aus diesem Grund wurde nach Rücksprache mit dem Kreis Düren in einem ersten Schritt der Leiter der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften (IAK) der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Christoph Rass, um Unterstützung gebeten. Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe, in der unter anderem Historiker:innen, Geoarchäolog:innen, Geograph:innen und Geoinformatiker:innen zusammenarbeiten, führt seit Januar 2020 ein vierjähriges Forschungsprojekt zur Konfliktlandschaft 'Hürtgenwald’ bzw. dem Lernort 'Schlachtfeld Hürtgenwald’ durch, das vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) gefördert wird. Im August 2020 nahmen die Wissenschaftler:innen eine erste obertägige Bodenuntersuchung, um Walter Models so gekennzeichneter Grabstelle auf der Kriegsgräberstätte Vossenack, unter Leitung von Geograph Dr. Andreas Stele, vor.
In ihrem Bericht kamen sie zu dem Ergebnis, dass nach Untersuchungen, die unter anderem mit einem Georadar durchgeführt wurden, deutliche Unterschiede zwischen dem Grab Walter Models und dem benachbarten Grab Hermann Henschkes – beide Namen finden sich auf derselben Grabplatte – festzustellen sind. Die Ergebnisse der Untersuchungen deuten darauf hin, dass Model unter anderen Umständen bestattet wurde, als andere Personen in der unmittelbaren Umgebung seines Grabes. Es zeichnet sich auch die Möglichkeit ab, dass das Grab nachträglich geöffnet und verändert wurde.
Um diese beiden Möglichkeiten abschließend zu überprüfen, sind die vorliegenden Prospektionsdaten allerdings nicht weitreichend genug. Beispielsweise erwiesen sich sowohl die Grabplatten als auch die auf der Kriegsgräberstätte befindlichen Doppelkreuze als hinderlich für genauere Messergebnisse. Um Gewissheit über die Geschichte von Models Grab zu erlangen, wäre eine archäologische Grabung notwendig. Dieser weitere Schritt könnte, nach Aussagen der Wissenschaftler:innen, nicht nur die Prüfung, ob es sich bei dem Grab Walter Models lediglich um eine symbolische Grabstätte handelt oder ob dort tatsächlich eine Bestattung von Models Gebeinen stattgefunden hat, ermöglichen; ebenso wäre zu prüfen, ob sich nachträglich vorgenommene Bodeneingriffe beziehungsweise Raubgrabungen im Bereich der Grablage feststellen lassen.1
Sollte es sich bei Models Grabstelle lediglich um eine symbolisch angelegte Grabstelle handeln, wäre die Entscheidung, die zu ihrer Anlage geführt hat, in erster Linie eine politische gewesen und müsste damit umso kritischer hinterfragt werden. Vor dem Hintergrund, dass das Grab Models bis heute Besucher:innen anzieht, die u.a. für ein Foto vor dem Grabstein posieren, stellt sich vermehrt die Frage, welche Intention ein symbolisch angelegtes Grab hier hätte. Bereits 1955 hätte es hierzu eines offenen Austausches mit Vertretern des seinerzeit für die Kriegsgräberstätte zuständigen Kreises Monschau sowie der Geschäftsstelle des Volksbundes in Essen bedurft. Ohne deren Einverständnis hätte eine Bestattung Models – besonders eine mögliche symbolische – gar nicht stattfinden dürfen. Da es solche Gespräche nicht gegeben hat, würde man von einer privaten politischen Entscheidung unter Umgehung der zuständigen Institutionen ausgehen müssen. 65 Jahre später wäre damit eine Beseitigung der Grabstätte Walter Models nicht nur angemessen, sondern auch überfällig. Denn welchen Grund könnte es geben, einen treuen Anhänger Hitlers, der sich 1945 seiner Verurteilung als Kriegsverbrecher durch Suizid entzogen hat, 2020 noch weiterhin symbolisch aufwerten zu lassen?
Sollte sich wiederum nachweisen lassen, dass Walter Models Gebeine tatsächlich auf die Kriegsgräberstätte Vossenack umgebettet wurden, bedürfte es dennoch der hier vorgestellten Aufklärung des Hergangs sowie der Information der Besucher:innen der Kriegsgräberstätte, um über die Rolle Models im Kontext des Nationalsozialismus aufzuklären. Weiter müsste über die mit der Umbettung einhergehende Verlagerung eines unbekannten Soldaten, um Models Grabstelle auf der Kriegsgräberstätte zu ermöglichen, aufgeklärt und diese Umstände kritisch reflektiert werden.