Die Umbettung auf die Kriegsgräberstätte Vossenack
Die Umbettung Walter Models aus dem bei Duisburg gelegenen Waldgebiet des Grafen von Spee nach Vossenack soll am 26. Juli 1955 vollzogen worden sein. Einen Tag später informierte Julius Erasmus, der damalige Betreuer der Kriegsgräberstätte Vossenack und lokale Vertreter des Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) den Landesverband NRW des VDK über diesen Sachverhalt:
"Teilen hierdurch mit, daß am 26./7.55 der Gen.-Feldm. Walter Model hier in Grab Nr. 1074 beigesetzt wurde. Der in diesem Grabe ruhende unbekannte Soldat wurde in Grab 209[0] umgebettet."1 Grab 1074 befand sich damals und befindet sich heute immer noch zentral auf der Kriegsgräberstätte. Dass ein an dieser Stelle bereits ruhender unbekannter Soldat wegen Hansgeorg Models Anliegen an den äußersten Rand der Kriegsgräberstätte umgebettet wurde, scheint 1955 keine Bedenken hervorgerufen zu haben. Die Landesgeschäftsstelle des Volksbundes hätte das Schreiben ihres Beauftragten für die Kriegsgräberstätte Vossenack nun einfach abheften können, beinhaltete es doch lediglich die kurze Meldung eines vollzogenen Umbettungsvorgangs, der der Landesgeschäftsstelle hätte bekannt sein müssen.
Vier Tage nach der Umbettung jedoch teilte die Geschäftsstelle Julius Erasmus mit, man habe von der Mitteilung "mit grossem Interesse Kenntnis genommen"2. Dies legt nahe, dass die geplante Umbettung in Essen unbekannt war, denn in dem Schreiben heißt es weiter: "Wir haben seit dem Jahre 1953 mehrfach nach seinem Grabe geforscht und erhielten schliesslich die Nachricht, dass er in einem Wald in der Nähe von Duisburg ruht und die Angehörigen keine [Unterstreichung im Original] Umbettung wünschten, da diese nicht im Sinne des Gefallenen wäre. Von Seiten der Angehörigen war geplant, später an seiner Grabstelle einen Gedenkstein zu errichten."3
Darauf, dass man zeitweise erwogen habe, einen Gedenkstein am Todesort Walter Models aufzustellen, hatte dessen Sohn im Gespräch mit Wolfgang Reith bereits hingewiesen. Neu ist allerdings – und das taucht in diesem Briefwechsel erstmals auf – dass die Angehörigen Models gar keine Umbettung gewünscht hatten, weil der Feldmarschall selbst dagegen gewesen wäre.
Die Geschäftsstelle in Essen bat Julius Erasmus noch im selben Schreiben um genauere Auskünfte über die Umbettung. Erasmus antwortete darauf erst vier Wochen später und wiederum sehr knapp. Er schrieb, "daß der Sohn des Gefallenen mit Herrn von Beguin [sic] hier war und erklärte, daß er mit Genehmigung des Volksbundes seinen Vater hier beisetzen wollte. Die beiden Herrn haben auch die Überführung nach hier durchgeführt."4 Über die vorherigen Verhandlungen über die Umbettung sei ihm nichts bekannt gewesen.
Bei dem genannten 'Herrn von Beguin' handelte es sich um den Oberst a. D. Konstantin von Béguelin (*1897 - †1963), Sohn des Oberst Gustav von Béguelin (*1860 - †1937). Von 1950 bis zu seinem Tod hatte er das Amt eines Beauftragten am Sitz der Bundesregierung (BiB) des VDK inne.
Der Posten war zur Kontaktpflege des VDK mit Akteuren aus Politik und Verwaltung geschaffen worden und damit von erheblicher Relevanz.5 Zu den Kontakten zählten aber nicht nur Ministerien, das Bundespräsidialamt sowie die Kirchen und die Bundeswehr, sondern auch Veteranenvereinigungen wie die Traditionsgemeinschaft Großdeutschland oder der Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrikakorps.
Die Tatsache, dass Julius Erasmus in seinem Schreiben bei der Nennung Konstantin von Béguelins dessen Funktion nicht gesondert anführt, könnte darauf hinweisen, dass der BiB auf allen Ebenen des VDK bekannt war. Vorläufig festzuhalten bleibt zunächst, dass die für die Kriegsgräberstätte Vossenack eigentlich zuständige Landesgeschäftsstelle bei den Gesprächen über die Umbettung Models übergangen worden zu sein scheint. Der Grund dafür ist unklar. Und der neben Hansgeorg Model bei der Umbettung zugegen gewesene Beauftragte am Sitz der Bundesregierung hatte, wie dieser, eine militärische Laufbahn beschritten und Kontakte zu einem Veteranenverband, der sich aus einer Einheit der Wehrmacht gebildet hatte, in der Hansgeorg Model im letzten Kriegsjahr noch gedient hatte.
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1 Durchschlag eines Briefes ohne Namensnennung aus Vossenack an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Essen vom 27.07.1955. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
2 Brief vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Essen vom 30.08.1955 an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kriegsgräberstätte Vossenack, z. Hd. Herrn Erasmus. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
3 ebd.
4 Durchschlag eines Briefes ohne Namensnennung aus Vossenack vom 20.09.1955 an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Nordrhein-Westfalen, Essen. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
5 vgl. Ulrich, Bernd / Fuhrmeister, Christian / Hettling, Manfred / Kruse, Wolfgang: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme. Berlin-Brandenburg: BeBra Wissenschaft Verlag 2019, S. 312-313.