Spätere Recherchen

Die offenen Fragen zu der vermeintlichen Umbettung Walter Models konnten mithilfe der Akten bis Ende des Jahres 1955 nicht weiter beantwortet werden. In den 1980er-Jahren lassen sich jedoch weitere Erkenntnisse zu den Umständen der Umbettung finden. 1987 begann der damals noch berufstätige Raimund Lorenz zu den Umständen von Walter Models Tod und der später vermuteten Umbettung seiner sterblichen Überreste zu recherchieren. Die Intention der Recherche lag vermutlich in einem heimatkundlichen sowie militärgeschichtlichen Interesse und die eigene Unzufriedenheit mit der über Walter Model zu dem Zeitpunkt vorliegenden Literatur.1

Lorenz’ Recherchen sind in diesem Kontext dahingehend interessant, als dass er Kontakt zu zahlreichen Behörden und Einzelpersonen aufnahm, um seine Recherchen zu komplettieren. Ein Ausschnitt dieser Aktivitäten hat Spuren im Kreisarchiv Düren sowie im Archiv der Geschäftsstelle des Volksbundes NRW in Essen hinterlassen, da Lorenz mit der Kreisverwaltung und dem Volksbund in Kontakt stand und dort einige Mal schriftlich über die Zwischenergebnisse seiner Nachforschungen berichtet hat. Im Zuge seiner Recherchen machte Lorenz dadurch schließlich ein Umbettungsprotokoll des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) ausfindig.
Ausgestellt wurde es nicht anlässlich der mutmaßlichen Umbettung Walter Models, sondern bereits am 13. Dezember 1949. Es galt ursprünglich dem unbekannten Soldaten, der – das ist dem Protokoll zu entnehmen – zunächst auf dem Stadtfriedhof von Monschau bestattet und dann in das Grab 1074 auf der Kriegsgräberstätte Vossenack verlegt worden war. Solche Umbettungen waren in den unmittelbaren Nachkriegsjahren üblich und kamen häufig vor, weil erst mit Existenz der beiden großen Kriegsgräberstätten in Vossenack und Hürtgen die provisorisch auf den Gemeindefriedhöfen bestatteten, im Verlauf des Krieges umgekommenen Soldaten der Wehrmacht oder der SS, an zentrale Begräbnisorte verlegt werden konnten. In der Rubrik 'Name des Toten' war folgerichtig zunächst 'unbekannt' eingetragen worden. Später wurden dort die Angaben zu Walter Model nachgetragen. Außerdem die Bonner Adresse seiner Ehefrau Herta Model. Unklar ist jedoch der genaue Zeitpunkt dieses Hergangs. Das Protokoll weist als weiteres Datum den 20. November 1959 auf. Das sind mehr als vier Jahre nach der mutmaßlich vollzogenen Umbettung Walter Models sowie ganze zehn Jahre nach der Exhumierung des im Umbettungsprotokoll genannten unbekannten Soldaten.

Warum wurden die Angaben erst zu diesem späten Zeitpunkt in das Protokoll aus dem Jahr 1949 übertragen? Und auf wessen Veranlassung? Außerdem werden zwei Zeugen der Umbettung genannt, die auf dem Papier ihre Unterschriften hinterlassen haben. Sie sind nicht ohne weiteres zu entziffern. Sicher ist jedoch, dass es nicht die Unterschriften von Hansgeorg Model und Konstantin von Béguelin sind.2 Es müssen demnach zwei weitere Personen an der Umbettung beteiligt gewesen sein, von denen in den bisherigen Dokumenten aber nie die Rede war. Waren es Friedhofsarbeiter, die die Umbettung praktisch durchgeführt haben? Weiter fehlt ein Eintrag eines "Prüfungsvermerks der Stelle, welche die Umbettung anordnete". Dies könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass es keine schriftliche Genehmigung für die Umbettung Walter Models gegeben hat. Auf dem Papier findet sich außerdem noch die Unterschrift von Julius Erasmus als "Leiter der Umbettungskolonne". Dieser Eintrag scheint sich jedoch auf das Jahr 1949 zu beziehen, also auf die Umbettung des unbekannten Soldaten von Monschau nach Vossenack in das Grab 1074. Einen Hinweis darauf, dass Erasmus auch bei der Umbettung Walter Models zugegen war, gibt das Protokoll nicht.

Raimund Lorenz hatte sich bezüglich Models Umbettung auch an den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Hürtgenwald, Baptist Palm, gewandt. Palm selbst hatte während des Krieges der 116. Panzerdivision der Wehrmacht, der sogenannten Windhund-Division, angehört und ein Buch über seine Kriegserlebnisse verfasst.3 Am 08. Oktober 1987 teilte er Lorenz mit, dass "[d]ie Umbettung von Model nach Vossenack […] ohne jede Zeremonie"4 erfolgt sei, und ergänzte "selbst die Presse erfuhr nichts davon."5 Eine weitere interessante Anmerkung findet sich in dem Brief: "Der Sohn des Herrn Model […] schrieb mir einmal, daß es der Wille des Vaters in seinem polit. Testament gewesen wäre, nach seinem Tode auf einem Friedhof inmitten der Soldaten, die er befehligt hat, zu ruhen."6 Auf diese Aussage Palms scheint also das Narrativ von Models Wunsch, inmitten 'seiner Kameraden' bestattet zu werden, zurückzugehen. Palms Aussage steht allerdings in diametralem Gegensatz zu der oben bereits zitierten Äußerung Hansgeorg Models gegenüber der Hauptgeschäftsstelle des VDK in Kassel vom 23. März 1954, nach der es der testamentarisch niedergelegte Wunsch seines Vaters gewesen sei, "von einer Umbettung unter allen Umständen abzusehen."7

Ungeklärt bleibt damit, mit welcher Intention die vermeintliche Umbettung im Auftrag von Walters Models Sohn betrieben wurde. Auch die Bemühungen Raimund Lorenz’, die Frage der Umbettung zu klären, verliefen mehr als 30 Jahre nach dem Ereignis erfolglos. Lorenz starb im Jahr 2009.8 Ein Rückgriff auf ein von ihm gefertigtes Manuskript ist nicht mehr möglich. Und auch beim VDK in Kassel gibt es heute keinen neuen Stand in der Angelegenheit. Die damals zuständige Mitarbeiterin für Fragen der Kriegsgräberstätten in der Bundesrepublik, Beate Kalbhenn, bestätigte in der Sache, dass in den Unterlagen des VDK keine Lageskizze des ursprünglichen Feldgrabes Walter Models existiert und auch keine Aufzeichnungen über die Umbettungsaktion vorhanden sind. Auch sie könne nicht nachvollziehen, wieso in diesem Fall die entsprechenden Unterlagen fehlten.9

Sie haben die Möglichkeit, das mit einem mobilen 3D-Scanner erzeugte LiDAR-Modell der einer Grabplatte von Walter Models mutmaßlichem Grab auf der Kriegsgräberstätte Vossenack aus einer 360°-Perspektive betrachten zu können. Die Grabplatte ist, im Gegensatz zu anderen auf der Kriegsgräberstätte, einbetoniert worden, um Diebstählen vorzubeugen. 

__________________
1 vgl. Brief von Raimund Lorenz, Essen vom 09.03.1990 an die Kreisverwaltung Düren. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325. Von Raimund Lorenz lässt sich eine Publikation nachweisen: Lorenz, Raimund: Die „Dicke Berta“ aus Vluynbusch. Das Meisterstück des Stellmachers Emil Cherubin. Hrsg. v. Museumsverein Neukirchen-Vluyn, Neukirchen-Fluyn 2000.

2 vgl. dazu die historischen Dokumente zur vermeintlichen Umbettung unter: Möller: Models Knochen 2021

3 Palm, Baptist: Hürtgenwald. Das Verdun des zweiten Weltkrieges. Oldenburg: Verlag Heinrich Seyler 1953. Unveränderter Nachdruck mit Vorwort 1984.
4 Brief von Baptist Palm, Vossenack vom 08.10.1987 an Raimund Lorenz, Essen. Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge NRW, Essen, Aktenordner Vossenack III: Vorgang „Model“ / Julius Erasmus.
5 ebd

6 ebd.

7 Brief von Hansgeorg Model, Bad Godesberg-Pech vom 23.03.1954 an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Hauptgeschäftsstelle, Abteilungsleiter Froneberg, Kassel. Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4325.
8
Raimund Lorenz war von Essen aus nach Höchstadt an der Aisch verzogen. Dort starb er nach Auskunft der Stadtverwaltung am 16.02.2009 (Auskunft vom 14.08.2020).

9 Telefonat Frank Möllers mit Beate Kalbhenn, VDK Niestetal (vorm. Kassel) am 10.08.2020.