Wer war Walter Model?
Der 1891 geborene Walter Model stammte aus einer Dynastie von Lehrern und Kantoren und wuchs in einer streng protestantischen Familie auf. Er blieb Zeit seines Lebens ein lutherischer Christ. Bereits unmittelbar nach Erhalt seines Abiturs im Jahr 1909 trat Walter Model dem Militär bei, sodass er am Ersten Weltkrieg teilnahm und bis zum Hauptmann in der Diensthierarchie aufstieg. 1921 heiratete Walter Model Herta Huyssen (*1892 - †1985), deren Familie dem damaligen rheinischen Großbürgertum – u.a. mit Verbindungen zur Familie Krupp – zugerechnet werden kann. Herta Huyssen war außerdem laut Görlitz eine Enkelin des Dichters Friedrich Rückert (*1788 - †1866).1 Aus der Ehe Walter und Herta Models gingen die beiden Töchter Hella und Christa sowie der Sohn Hansgeorg hervor.
Während der Weimarer Republik wurde Walter Model schließlich in die Reichswehr übernommen und 1929 der Ausbildungsabteilung des Heeres in Berlin zugeteilt. Am 02. August 1934 wurde er – nun als Soldat der Wehrmacht – neu vereidigt und stieg noch vor Kriegseintritt zum Chef des Generalstabes des IV. Armeekorps in Dresden auf. Während des Zweiten Weltkriegs war Model am Überfall der Wehrmacht auf Polen 1939 beteiligt, nahm am sogenannten Frankreichfeldzug sowie am Überfall auf die Sowjetunion teil und stieg durch seine 'Verdienste' an der Ostfront Ende März 1944 zum Generalfeldmarschall auf. Noch 1944 wurde er als Experte für planmäßige Rückzüge und Verteidigungen an die 'Westfront' beordert, war im Dezember 1944 an der Planung und Durchführung der sogenannten Ardennenoffensive beteiligt und habe sich schließlich im Ruhrkessel südlich von Duisburg in aussichtsloser Lage wieder gefunden.2
Besonders problematisch ist bis heute, dass Models militärische Leistungen als Truppenführer der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg von seinen Biographen fast durchgängig gelobt werden und nahezu gänzlich auf eine kritische Einordnung seines Wirkens verzichtet wird: So zählte Model für Walter Görlitz neben Heinz Guderian und Walter Nehring zu den "Panzerenthusiasten"3. Görlitz hob Models "hohe Könnerschaft"4 hervor und bescheinigte ihm, sich "in Krisen stets von kalter Gelassenheit"5 erwiesen zu haben. Marcel Stein sah in ihm "eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Feldmarschallen"6.
Widersprüchlich zu diesen Lobpreisungen, ist allerdings eine fast durchgängige und gleichzeitige Kritik seines Führungsverhaltens:
"Model war weder Zeit seines Lebens ein großer Menschenkenner, noch war er es gewohnt, auf Untergebene Rücksicht zu nehmen, weil er selbst keine Rücksicht gegenüber der eigenen Person kannte"7, schreibt Görlitz. Temperamentsausbrüche, Ungeduld und eine "knappe, abgehackte Sprache und Denkweise"8 seien typisch für ihn gewesen. "Er behandelte seine Offiziere manchmal 'wie ein Stück Dreck'"9, zitiert Marcel Stein General Edgar Röhrichts Urteil über Model. Bei Rückzügen habe er "eine außerordentliche Rücksichtslosigkeit [entfaltet], um Straßen für seine eigenen Verbände freizumachen."10 Außerdem habe er immer wieder mit Standgerichten gedroht, um seine Soldaten und Untergebenen gefügig zu machen.11
Models Verhältnis zu Hitler war weitgehend positiv. Nach dem versuchten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 sandte Model nicht nur ein Telegramm voll des Ausdrucks seiner Ergebenheit an den obersten Befehlshaber der Wehrmacht, er ließ in einem Schreiben an seinen Sohn auch mit Bezug auf den modifizierten Wahlspruch der SS verlauten: "Hoffen wir, dass der Spruch, 'die Treue ist das Mark der Ehre’, sich nun umso stärker durchsetzt. Für uns ist es eine bittere Tatsache, dass so etwas unter Soldaten überhaupt möglich war."12
Joseph Goebbels charakterisierte Model in seinen Tagebüchern als "einen fanatischen Anhänger des Führers" und "einen richtigen Nationalsozialisten"13. Dabei ist zu verstehen, dass Joseph Goebbels selbst als überzeugter Nationalsozialist, Vertrauter Hitlers und als Propagandaminister im NS-Regime im Duktus des Nationalsozialismus schrieb. Er betont hiermit Models Ergebenheit gegenüber dem 'Führer' Adolf Hitler und stuft ihn zudem als 'linientreu' ein. Entsprechend sind diese Zitate als zeitgenössisch zu lesen und zu bewerten. Deutlich wird damit auch, wie sehr Model sich den Ansichten und Plänen des NS-Regimes verschrieben zu haben schien.
In zahlreicher Literatur wird Walter Model meist als unpolitischer Soldat dargestellt, eine Charakterisierung, die demnach im zeitgenössischen Kontext des Nationalsozialismus offenbar nicht geteilt wurde. Die Betonung des vermeintlich 'einfachen Soldaten' in Bezug auf Walter Model, der mit dem Nationalsozialismus an sich wenig zu tun hatte, wird hierdurch als unrichtig deutlich.
John Zimmermann, Militärhistoriker am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, hat noch jüngst dazu bemerkt:
"Sein [Walter Models] Soldatentum war losgelöst von irgendeiner anderen Sinngebung als der militärischen. Dessen oberstes – und wohl einziges Kriterium – war die Erfüllung des Auftrages. Welchem Herrn und welchem Ziel er diente, welche Mittel er anwendete […], schien kaum Bedeutung für ihn besessen zu haben."14 Nach Görlitz war Model, der ständig ein Monokel trug, "ein geradezu klassisches Beispiel für [einen] spätpreußischen Offizierstypus"15. Marcel Stein kennzeichnet ihn knapp als "politische[n] Einfaltspinsel"16.
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1 vgl. a) Görlitz, Walter: Model. Der Feldmarschall und sein Endkampf an der Ruhr. 6. Auflage, München: Universitas Verlag in F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung 1993, S. 28.
2 siehe z. B. Bradley, Dermot: Model, Walter. In: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 17, Berlin 1994, S. 597f., URL: https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016335/images/index.html?seite=613 (zuletzt aufgerufen: 18.08.2023).
3 a) Görlitz: Model 1993, S. 55.
4 ebd., S. 6.
5 ebd., S. 242.
6 Stein, Marcel: Generalfeldmarschall Walter Model. Eine Neubewertung. Zweite und wesentlich geänderte Auflage des Buches „Generalfeldmarschall Walter Model – Legende und Wirklichkeit“. Bissendorf: Biblio Verlag 2008, S. 1.
7 a) Görlitz: Model 1993, S. 33.
8 ebd., S. 102.
9 Stein: Neubewertung 2008, S. 95.
10 a) Görlitz: Model 1993, S. 104.
11 Stein: Neubewertung 2008, S. 238-239.
12 Brief an Hansgeorg Model vom 05.08.1944, zit. n. Stein: Neubewertung 2008, S. 140. Weitere Informationen zu dem heute verbotenen Spruch „Die Treue ist das Mark der Ehre“ der nationalsozialistischen SS finden Sie hier. Vgl. die Kontextualisierung des Schreibens: Stein: Neubewertung 2008, S. 220
13 Goebbels, Joseph: Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen. Hamburg: Hoffmann und Campe 1977, S. 411.
14 Zimmermann, John: Schlachten als Lebensinhalt. Die Seele verdorben. In: Militär & Geschichte, Sonderheft Nr. 9/2018: Generalfeldmarschall Model und der Krieg im Westen 1944/45, S. 80.
15 a) Görlitz: Model 1993, S. 7.
16 Stein: Neubewertung 2008, S. 33.