Regionales Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
Durch den ungeplanten und bis heute nicht ausreichend besprochenen Abbau des Gedenksteins ist die Möglichkeit der Kontextualisierung dieses Symbols einer heute als problematisch einzustufenden Geschichtskultur weitestgehend verwirkt worden. Der historische Kontext rund um die Aufstellung des Steins lässt sich damit heute nur noch anhand einer "unsichtbaren" Spur, der leeren Grünanlage in Nideggen-Schmidt, besprechen und ist somit aus Sicht geschichtsdidaktischer Ansprüche nur noch eingeschränkt vermittelbar.
Die Forderung des Abbaus des Stein aus wissenschaftlicher Perspektive ist weiter mit der Art seines "Abbaus über Nacht" nicht gleichzusetzen, da diese dennoch eine Kontextualisierung des Steins vorgesehen hätte. So hätte die Möglichkeit bestanden, den Abbau mit regionalpolitischen Initiativen zu begleiten und darauf zu verweisen, dass die Thematisierung eines Wandels der regionalen Geschichtskultur für ein kritisches Geschichtsbewusstsein spräche.
Der Stein, die Kritik seiner hochproblematischen Botschaft und der Versuch einer Exkulpation der Wehrmacht sowie sein Abbau können heute also vor allem in Formaten wie dieser digitaler Ausstellung besprochen werden und müssen daher nicht weniger im Fokus des gesellschaftlichen Interesses an historischer Bildung ernstgenommen werden.
Daneben stehen Initiativen, die aufgrund ihrer Aktualität und Bedeutung für die regionale Geschichtskultur umso mehr mehr Aufmerksamkeit verdienen: so wurde - anstatt an die militärischen Spuren und Narrative anzuknüpfen, wie es in der Nordeifel und dem als Gefechtsgebiet der ,Schlacht im Hürtgenwald' häufig deklarierten Gebiet bis heute verbreitet ist - mit dem Verlegen von 47 Stolpersteinen im Raum Nideggen Raum für das Gedenken an die Schicksale jüdischer Opfer des Nationalsozialismus sowie die notwendige Erinnerung an ihre systematische Verfolgung auch und in den regionalen Kontexten geschaffen. Das Medium der Stolpersteine als erinnerungskulturelle Manifestation unterliegt seiner eigenen Kritik und muss entsprechend ebenfalls jeweils differenziert eingeordnet werden. Zugleich stellen die Stolpersteine, wie bereits angedeutet, ein relevanten und bis heute unterrepräsentierten Schwerpunkt des Gedenkens an Opfer des menschenverachtenden NS-Regimes, da hier die Aufmerksamkeit des Erinnerns nicht auf Soldaten gelegt wird.
Ähnliche Initiativen finden sich aufgrund der Initiative einzelner Akteur:innen, hier der Journalistin Katharina Isabell Franke, auch in der Gemeinde Roetgen: hier wurden erst im Januar 2024 neben Stolpersteinen auch eine ,Stolperschwelle' verlegt, die an ca. 120 Opfer des Terrorregimes erinnern sollen.
Ein weiterer zentraler Ort des Gedenkens an die systematisch Verfolgten und Ausgebeuteten der Zeit des Nationalsozialismus ist der seit 2023 mit einer kritischen Ausstellung versehene Friedhof sowjetische Zwangsarbeiter:innen in Rurberg-Simmerath. Lange war der Friedhof mit dem negativ konnotierten und sachlich falschen Begriff des "Russenfriedhofs" betitelt. Aufgrund von Initiativen lokaler Einzelakteure sowie schließlich des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), ordnet die heutige Ausstellung auf dem Gelände den Kontext der Verfolgung der hier begrabenen Menschen und den Umgang mit ihrem Gedenken kritisch ein.
Hier haben Sie die Möglichkeit, den Friedhof digital zu begehen und Einblick in die aktuelle Ausstellung zu erhalten.
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