Einführung

Seit dem Jahr 1999 befand sich auf einer zentral gelegenen kommunalen Grünanlage an der Ecke Monschauer Straße / Kommerscheidter Straße unweit der Kirche St. Mokka in Nideggen-Schmidt (Kreis Düren) ein auf Initiative des Niederländers Ron van Rijt errichteter Gedenkstein.

Dieser war dem Gedenken an die Soldaten, die in der Nordeifel Ende 1944 auf Seiten der U.S. Army und der Wehrmacht gegeneinander gekämpft hatten, gewidmet und wies eine hochgradig problematische Darstellung auf: Zum einen besaß der Stein die abstrahierte Form eines in die Luft ragenden Flugzeughecks, das möglicherweise an die in der Region zahlreich abgeschossenen Kampfflieger erinnern sollte. Zum anderen wurde hier die U.S. Army mit der Wehrmacht auf symbolischer Ebene dezidiert in Form eines Denkmals, und damit einer geschichtskulturellen Manifestation, gleichgestellt und somit fest in die Region der Nordeifel eingeschrieben.1

Auf dem linken Flügel des Gedenksteins befand sich die deutschsprachige Inschrift:

"Sie starben nicht vergeblich / 

denn sie gewannen den Frieden / 

zwischen unseren Völkern"

auf der rechten Seite hieß es in einer auf Englisch verfassten, jedoch semantisch ungenauen Übersetzung:

"They have not died in vain / 

for they have gained peace / 

between our nations"

Unter der deutschen Fassung war ein Hufeisen abgebildet: hierbei handelte es sich um das Wappen der 89. Infanterie-Division ('Hufeisen-Division') der Wehrmacht. Unter der englischsprachigen Fassung befand sich das Wappen des US-amerikanischen 707th Tank Battalion. Beide Einheiten standen sich in den Gefechten im Westen des vormaligen 'Deutschen Reiches' gegenüber. In der unteren Hälfte des Gedenksteins befand sich zudem unter den jeweiligen Verbandsabzeichen das Relief zweier zum Handschlag gereichter Hände mit den darüber angebrachten Jahreszahlen "1944/45", die von der bundesdeutschen und der Nationalflagge der USA flankiert wurden.

Die Problematik des Gedenksteins lag zum einen darin, dass die Übersetzung der deutschen Inschrift ins Englische semantisch eine andere Bedeutung aufwies beziehungsweise ungenau übersetzt war. Zugleich wurden in der Bildsprache des Denkmals verschiedene Kontexte und Bedeutungsebenen miteinander vermischt. So stand die Nationalflagge der Bundesrepublik Deutschland auf gleicher Höhe wie die Nationalflagge der USA. Eine Symbolik, die vermutlich auf das Gedenken der Nachkriegszeit bezogen sein sollte, mit Blick auf den historischen Kontext der Gefechte zwischen Einheiten der USA und der Wehrmacht, die für ein Regime rassistischer Werte und der gezielten politischen Verfolgung und Vernichtung bestimmter gesellschaftlichen Gruppen kämpfte, jedoch leicht zu Fehldeutungen führen musste.

Das Relief in christlich anmutender Ikonographie der gereichten Hände konnte als Symbol der Versöhnung gelesen werden. Dies lässt sich vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Errichtung des Gedenksteins stets kolportierten Leitspruchs 'Versöhnung über den Gräbern' annehmen.2 Im Bereich zwischen den Flaggen und unter dem Text befanden sich weiterhin zwei Symbole der an den Kämpfen beteiligten Einheiten, der 707th Tank Battalion der U.S. Army sowie der 89. Infanterie-Division der Wehrmacht, deren Darstellung damit als gleichgesetzt verstanden werden können.

In den Erzählungen vor allem der Nachkriegszeit um die 'Sieger' oder 'Helden' der Kämpfe waren die Einheiten hier symbolisch gleichrangig manifestiert worden, die Rollen während der Gefechte verschwimmen und letztendlich scheint auch die Wehrmacht in der Inschrift fälschlicherweise als 'Friedensbringer' gedeutet zu werden, indem sie dem Narrativ um die U.S. Army als Befreier Europas vom Faschismus zugeordnet wird. Die Rolle der Wehrmacht als Streitmacht des NS-Regimes wird nicht thematisiert – geradezu geleugnet. Jene Gegenüberstellung schien weiter, aufgrund der hier abgebildeten Flaggen in einer Querverbindung auf die heutige Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland und der heutigen U.S. Army verweisen zu wollen, wie es im Kontext der Gedenkkultur – so zuletzt auf einer heute entfernten Tafel auf dem Gelände der Kriegsgräberstätte Vossenack – häufig vorgenommen wurde.

Nachdem der Gedenkstein jahrelang unhinterfragt einen festen Platz im zentralen Verkehrsbereich Nideggen-Schmidts hatte, entstand schließlich u.a. auf Anregung eines Bürgerantrags ein politischer Streit um die hier vermittelte Gedenkkultur, die Funktion des Steins und die politischen Interessen, die an den Stein gebunden waren, als er aufgestellt wurde.

Seinen vorläufigen Abschluss fand der Konflikt am 6. August 2021 durch seinen sprichwörtlich 'über Nacht' erfolgten Abbau durch Unbekannte. Aufgrund dieser Handlung wurde das problematische Verhältnis zur Gedenkkultur letztlich nicht mehr aufgearbeitet, sondern aus dem öffentlichen Raum entfernt und somit auch 'entthematisiert'. Die Gedenkanlage existiert bis heute und weist, nachdem eine Informationstafel entfernt wurde,  nur noch den leeren Sockel des Steins auf.

Der ehemalige Standort des Gedenksteins in der Kartenansicht Nideggen-Schmidt

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1 Möller, Frank: Gedenkstein in Nideggen-Schmidt, in: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital, URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-327318, abgerufen am 22. August 2023.
2 Die Losung ‘Versöhnung über den Gräbern’ stammt von Fritz Debus, welcher während der NS-Zeit Mitglied der NSDAP und der SS war und u.a. antisemitische Schriften publizierte. Von 1952 bis 1964 war Debus Leiter der Abteilung Presse und Werbung beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Vgl. hierzu: Ulrich, Bernd/ Fuhrmeister, Christian/ Hettling, Manfred/ Kruse, Wolfgang: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme, Berlin-Brandenburg: be.bra Verlag GmbH 2019, S. 303, 333 sowie 436; siehe auch: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Debus, Fritz, in: URL: https://www.volksbund.de/fileadmin/redaktion_BG/Bereiche/Service/Findbuch/index.htm, abgerufen am  11. Oktober 2023.

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